2. CBSS NGO FORUM
im Rahmen der Ostseeratspräsidentschaft Russlands
(St. Petersburg, 19./20. April 2002)

Kurze Zusammenfassung der Ergebnisse

Das zweite ostseeweite CBSS NGO FORUM fand am 19./20. April 2002 in St. Petersburg als Folgetreffen des NGO FORUMS Lübeck vom 28./29. Mai 2001 und der NGO-Konferenz in Kopenhagen vom 24./25. März 2001 statt.

Über 340 TeilnehmerInnen von Nichtregierungsorganisationen aus den Ostseeanrainerstaaten (Mitgliedsstaaten des Ostseerats – engl. Council of Baltic Sea States CBSS) nahmen in St. Petersburg teil. Auch Vertreter der Aussenministerien aus Finnland, Deutschland, Russland und Schweden nahmen teil, ebenso Repräsentanten der Generalkonsulate von Dänemark, Estland, Norwegen, Finnland, Deutschland und den Niederlanden.

Der amtierende Vorsitzende des CBSS-Komittees der leitenden Beamten und stellvertretende Gouverneur von St.Petersburg begrüßte die TeilnehmerInnen des NGO-Forums. SprecherInnen des Nordischen Rats, des Europarats und des Stadtrats von St.Petersburg hiessen ebenfalls das NGO Forum willkommen. Außenminister S. Ivanov, im ersten Halbjahr 2002 turnusmäßig Vorsitzender des Ostseerats, und Vladimir A. Yakovlev, Gouverneur von St. Petersburg, sandten Grußadressen.

Die Diskussionen des NGO-Forums waren in vier thematische Konferenzen gegliedert, welche einige der wichtigsten Felder der Ostseekooperation betrafen, auf denen Nichtregierungsorganisationen  substanzielle Beiträge leisten können: Soziale Fragen, Umweltschutz, Menschenrechte und intersektorale Kooperation.

Die folgenden Kurzzusammenfassungen aus den verschiedenen Arbeitsbereichen beruhen auf Formulierungen des Vorbereitungskomittees der Veranstaltung in Absprache mit den ModeratorInnen der einzelnen Arbeitskreise.

Wir weisen an dieser Stelle aber auch auf weitere Diskussionspapiere hin. Viele Einzelfragen konnten auf dem zweitägigen Treffen nicht ausdiskutiert werden, in anderen Bereichen wiederum liegen bereits seit Jahren seitens der NGOs ausgereifte Konzeptpapiere vor [“Ergebnisse des Workshops Umwelt”]. In anderen Fällen wiederum stehen die Gespräche erst am Anfang, und die Ergebnispapiere deuten lediglich an, in welche Richtung sich die Diskussionen entwickeln. Dass sich Workshops nicht nur bilateral, sondern übergreifend unter Beteiligung aus allen Ostseeanrainerstaaten mit Problemstellungen befassen, ist auch bei anderen Veranstaltungen nicht selbstverständlich. Vielfach stehen die Initiativen vor der Aufgabe, eingefahrene Ost-West-Schablonen zu überwinden und auch Konzepte und Ideen aus bisher getrennten Zusammenhängen der Nordischen Staaten, den Transformationsstaaten wie Polen, Estland, Lettland und Litauen, aus der Russischen Föderation mit Erfahrungen aus Westeuropa zusammenzuführen. Auch die internationale Entwicklungszusammenarbeit einschließlich Menschenrechts- und Gleichstellungsfragen bedürfen einer neuen Grundlage, wenn es um Zusammenarbeit zwischen Menschen und Organisationen in Ländern der Europäischen Union, der EU-Beitrittsstaaten, aber auch der Russischen Förderation geht. Hier treffen verschiedene Erfahrungshintergründe aufeinander – um so interessantere und spannendere Entwicklungen sind zu erwarten, wenn es gelingt, Gespräche gleichberechtigt und für alle verständlich zu gestalten.

Grundsätzliche Gedanken um die Arbeitsbedingungen der Nichtregierungsorganisationen in den Ostseestaaten äußerte auf der Grundlage eigener Untersuchungen die Menschenrechts-Kommissarin des Ostseerats Helle Degn.

Arbeitskreis UMWELT

Der Arbeitskreis Umwelt des NGO-Forums setzte sich für die Ratifizierung und Umsetzung der Konvention von Aarhus in allen Ostseestaaten ein, die den Zugang zu Umweltinformationen für die Öffentlichkeit garantieren soll, ebenso wie öffentliche Beteiligung an Entscheidungsfindungsprozessen wie Zugang zu Gerichten.

Die TeilnehmerInnen drängten auf die Wiederaufnahme des BALTIC 21 – Prozesses durch die Unterstützung der Ministerpärsidenten der Ostseestaaten und die vollständige Integration von Umweltbelangen in alle Politikbereiche, ebenso wie die Bereitstellung entsprechender Ressourcen für bereits beschlossene fachliche wie auch intersektorale Aktionsprogramme.

Das Forum unterstützte die Annahme der Prinzipien des Integralen Küstenzonenmanagements im Rahmen von regionalen und nationalen Planungsprozessen. Die NGOs drängten weiterhin auf zusätzliche Maßnahmen zum Stop der Überdüngung der Gewässer (die Algenblüten, Sauerstoffmangel im Wasser und Fischsterben zur Folge hat), und riefen zum weitergehenden Schutz von ursprünglich und naturnah erhaltenen Waldgebieten auf, indem ungesetzliche Forstaktivitäten gestoppt und illegaler Holzhandel verhindert werden sollen.

Die Forum-TeilnehmerInnen sprachen sich für die Schaffung einer atomfreien Zone im Ostseeraum und für einen Ausstieg aus der Atomtechnologie aus. Bis dieses Ziel erreicht ist, sollten keine neuen Atomreaktoren gebaut, der Betrieb laufenden Anlagen an internationale Standards geknüpft und der Transport von Atommüll in der Ostseeregion verhindert werden.

 

(ausführliche Arbeitsergebnisse des Arbeitskreis Umwelt)

(Appell an das Parlament Finnlands)

Arbeitskreis Soziale Fragen

Das Forum wies auf die wachsende Bedeutung von NGOs bei der Entwicklung sozialpolitischer Initiativen und der Unterstützung von Sozialstandards hin. Obwohl die Rolle und der Status von NGOs, die sich mit Sozial- oder Gesundheitspolitik auf sehr verschiedenen Arbeitsfeldern beschäftigen, sehr unterschiedlich ist, haben die NGOs auch gemeinsame Ziele: Die Verbesserung des Wohlbefindens und der Schutz der Rechte von den am meisten gefährdeten Mitgliedern der Gesellschaft. Es ist daher von wesentlicher Bedeutung für die NGOs der Region, den Dialog untereinander fortzusetzen und gemeinsame Aktionen auf dem Gebiet der Sozial- und der Gesundheitspolitik zu initiieren, und sich damit von gelegentlichen Kontaktaufnahmen zu nachhaltiger Kooperation und Netzwerkarbeit weiterzuentwickeln.

Die effektivste Art das Wohlergehen aller Menschen der Ostseeregion zu propagieren ist die Verknüpfung verschiedener Akteure im Rahmen von Netzwerkarbeit. Daher müssen mehr Ressourcen bereit gestellt werden, um Kooperation und Austausch nachhaltig sicherstellen zu können und Erfahrungen und Information innerhalb eines Netzwerks von Nichtregierungsorganisationen auf nationaler und internationaler Ebene verfügbar zu machen.  

Arbeitskreis MENSCHENRECHTE

Die Forum-TeilnehmerInnen erneuerten die Relevanz der Empfehlungen zum Thema Menschenrechte, die bereits das 1.NGO FORUM in Lübeck 2001 erarbeitet hatte. Die Regierungen wurden aufgefordert, ihre Gesetzgebung und die Bestimmungen zur Freiheit der Medien in Einklang zu bringen mit den Empfehlungen des Europarats.

Die teilnehmenden NGOs wiesen darauf hin, dass Fremdenfeindlichkeit, rassische und ethnische Intoleranz in allen Ostseeanrainerstaaten vorkommen. Die russischen NGOs waren der Meinung, dass diese Probleme in den ehemaligen Sowjetrepubliken in höherem Maße auftreten.

Die TeilnehmerInnen wiesen ebenfalls darauf hin, dass es in Russland praktisch keine gesetzlichen Mechanismen gibt, um Frauen vor Gewalt und Diskriminierungen in der Gesellschaft und im Arbeitsleben zu schützen.

Wachsende Tendenzen der Fremdenfeindlichkeit haben verschiedene Ursachen. Oft resultieren sie aus sozialen, ökonomischen, politischen, demographischen und ideologischen Umbrüchen und dem Globalisierungsprozess. Die Mitgliedsstaaten des Ostseerats (Council of Baltic Sea States – CBSS) sollten hier ihre nationalen Gesetze in Einklang bringen mit internationalen Konventionen und Abkommen und deren Umsetzung beobachten (Monitoring-Verfahren).

Die Nichtregierungsorganisationen betonten die Notwendigkeit einer gemeinsamen Herangehensweise, um die Probleme der Migrationsströme lösen zu können und Wege für Integration, Sozialisierung und Akzeptanz der verschiedenen MigrantInnengruppen zu finden.

Es wurde ebenfalls darauf hingewiesen, dass – ähnlich wie es in russischen Regierungsstrukturen der Fall ist – die gerichtlichen, gesetzgebenden und die regionalen Behörden in den Ländern der Region meist selbst NICHT zur Kenntnis nehmen wollen, dass auch sie infiziert sind mit Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und nationaler Intoleranz. Diese Behörden schenken Organisationen, die solche menschenrechtswidrigen Ideen in ihren Ländern verbreiten, nicht genug Beachtung, und dies läuft den Bemühungen zuwider, politischen oder ethnischen Extremisten energisch entgegenzutreten.

Regierungsamtliche Strukturen müssen wesentlich effektiver vorgehen gegen Intoleranz, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit. Daher schlagen die Nichtregierungsorganisationen  des NGO Forums vor:

a) Die Menschenrechtskommissarin des Ostseerats sollte in die Lage versetzt werden, zusammen mit nationalen und regionalen Behörden, gemeinsame Bildungsprogramme und kulturelle Projekte durchzuführen, die für Teilnehmer aus administrativen, gesetzgebenden und gerichtlichen Strukturen angeboten werden. Hier sollte besondere Betonung gelegt werden auf Menschenrechte und internationale und inter-konfessionelle Beziehungen, und die Teilnahme auch von Repräsentanten kleinerer Gemeinden sollte besonders gefördert werden.

b) Stärkung der nationalen Menschenrechtsorganisationen in den Ostseeanrainerstaaten und Schaffung von regionalen Strukturen von Menschenrechtsbeauftragten

Inter-sektorale Kooperation

Die TeilnehmerInnen des NGO FORUMS sprachen sich grundsätzlich für die Etablierung des NGO-Sektors als gleichberechtigter Partner der Regierungen und des privaten Sektors im Sinne der gemeinsamen Arbeit für eine demokratische Entwicklung der Gesellschaften im Ostseeraum aus, um einen offenen Dialog aller Beteiligten zu ermöglichen.

Die NGOs beabsichtigen ihre Zusammenarbeit im Ostseeraum zu stärken – sowohl “intern” durch bereits existierende Netzwerke und Ansprechpartner [Link: focal points], wie auch “extern”, in direktem Kontakt zu den jeweiligen Regierungen, auf regionaler und nationaler Ebene. Eine mehr entgegenkommende und fördernde Haltung der entsprechenden nationalen und supranationalen Behörden der Ostseeregion wäre mehr als willkommen. Die NGOs betrachten die Strukturen des Ostseerats (CBSS) als Partner zur Entwicklung eines NGO Ostseenetzwerks.

Indem wir die Erweiterung der Europäischen Union begrüßen, betonen die TeilnehmerInnen des NGO FORUMS ebenfalls, dass hierdurch keinesfalls neue Hindernisse für die Zusammenarbeit der EU mit Russland aufgebaut werden dürfen, weder auf regierungsamtlicher Seite, noch für die Zivilgesellschaft oder die Wirtschaft. In dieser Hinsicht verdient der Oblast Kaliningrad besondere Beachtung.

Das NGO FORUM unterstrich die Notwendigkeit, dass die Regierungen das Prinzip der Chancengleichheit im Ostseeraum hinsichtlich des Zugangs zu Ressourcen, Energie, Wissenschaft und Technologie genau beobachten. Wir unterstützen den Ostseerat in seinem Bemühen, Themen der Zivilgesellschaft in der Ostseeregion anzusprechen und sprechen uns für eine weitergehende Beteiligung von NGOs in diesen Prozessen aus.

Die TeilnehmerInnen des NGO FORUMS fordern die Ausarbeitung konkreter Maßnahmen zur Förderung internationaler NGO-Projekte im Ostseeraum und unterstützen ebenfalls die Idee, sich regelmässig auf nationaler Ebene zu treffen, um die Kontakte zwischen den einzelnen NGO-Netzwerken zu verbessern und weiteren Menschen Zugang zu verschaffen zu den Erfahrungen der Initiativen im Ostseeraum. Zustimmung fand der Vorschlag, direkte Kontakte zu schaffen zwischen den Strukturen des Ostseerats und den nationalen Kontaktstellen (focal points).

Die gesammelten Erfahrungen und praktischen Anregungen der NGOs der Ostseeregion sollten zusammengefasst und regelmässig der Präsidentschaft des Ostseerats übergeben werden.

Allgemeine Schlußfolgerungen und Empfehlungen

1. Die teilnehmenden NGOs bekräftigten ihre Absicht, ein BALTIC NGO FORUM in jährlichem Turnus zu veranstalten, jeweils mit Unterstützung der rotierenden Präsidentschaft des Ostseerats. Das 3. BALTIC NGO FORUM wird vom 8.-11. Mai 2003 in Turku in Finnland stattfinden.

2. In der Absicht, die Kooperation der Nichtregierungsorganisationen  zu stärken und deren Effizienz zu verbessern, soll mittelfristig ein VORSTAND geschaffen werden, der aus Repräsentanten aller nationalen Kontaktstellen (Focal Points) in den 11 Mitgliedstaaten des Ostseerats bestehen könnte (11 Personen) und weiteren 4-5 Personen aus den grenzüberschreitenden NGO-Netzwerken zu Sozialen Fragen, Umwelt, Jugend und anderen. Es wird die Aufgabe dieser nationalen Kontaktstellen sowie der Netzwerke sein, ihre jeweiligen Repräsentanten zu benennen. Das NGO OSTSEENETZWERK würde dann zu einer effektiven und effizienten Struktur werden, die als Partner aus dem Bereich der Zivilgesellschaft Partner des Ostseerats sein könnte.

3. Um einen regelmässigen Informationsaustausch zu erreichen zwischen den NGO-Netzwerken und dem CBSS-Sekretariat, wird angestrebt, 1-2 Seiten des offiziellen monatlichen Rundbriefs des CBSS, “Baltinfo”, den Neuigkeiten aus den Ostseeaktivitäten der NGOs mehrmals pro Jahr zu widmen.

4.  Das NGO FORUM sprach sich dafür aus, Wege zur Schaffung einer speziellen OSTSEE NGO STIFTUNG zu finden, die helfen könnte, finanzielle Hindernisse für die TeilnehmerInnen und OrganisatorInnen der NGO FORA zu vermeiden und eine stabile und vertrauenswürdige Unterstützung für diese Aktivitäten bereit zu stellen.

5. Die TeilnehmerInnen des NGO FORUMS betonten die Wichtigkeit der Zusammenarbeit im Ostseeraum und weisen daher besonders auf die Notwendigkeit von Erleichterungen bei den Visa-Bestimmungen hin. Visafreies Reisen für NGO-RepräsentantInnen sollte ermöglicht werden im Rahmen von Projekten der zivilgesellschaftlichen Kooperation und die betreffenden Regierungen werden aufgefordert, die entsprechenden Maßnahmen hierzu vorzubereiten.

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